Quelle: SRF

Angesichts globaler Unsicherheiten und Bedrohungen muss die Schweiz ihre Katastrophenschutzstrategien überdenken. Die Integration des Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD) in das BABS ist ein wichtiger Schritt, um die Krisenkoordination zu stärken und das Gesundheitswesen besser auf Ausnahmesituationen vorzubereiten.

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In einer Krise oder bei einer Katastrophe mit vielen Verletzten wäre die Schweiz überfordert, heißt es von Fachpersonen. Und auch in der Politik. Es gibt deshalb Bemühungen, das Schweizer Gesundheitswesen besser auf solche Ausnahmesituationen vorzubereiten. Seit einem Jahr wird dafür der koordinierte Sanitätsdienst umgebaut. Das war jene Stelle, die während der Pandemie mit der Intensivmedizin die begrenzten Plätze auf den Intensivstationen gesucht und koordiniert hat. Es war auch eine der Stellen, bei der nach der Pandemie Verbesserungspotential ausgemacht wurde. 

Der Koordinierte Sanitätsdienst hat eine neue Heimat. Weg vom Verteidigungsdepartement hin zur nationalen Alarmzentrale, die Krisen erprobt und rund um die Uhr erreichbar ist. Der 47-jährige Bündner Mediziner Tensin Lamberg leitet den Dienst seit einem halben Jahr. Er hat die Aufgabe, ihn zu einer Koordinationsstelle für Krisen und Katastrophenmedizin umzubauen. Er ist Praktiker in vielerlei Hinsicht und weiß. Es besteht Nachholbedarf in der Schweiz.

Im Alltag haben wir eine sehr leistungsfähige Medizin, die sich aber immer mehr spezialisiert und Fälle, die selten sind. Die haben wir nicht mehr wirklich im Fokus. Das heißt, für Gefahren und Bedrohungen, die selten auftreten, sind wir dementsprechend weniger vorbereitet.

Neben der Ausbildung für den Krisenfall fehlt auch das Krisendenken, bei dem die Involvierten stark priorisieren müssen. Ärztinnen und Ärzte müssen so in einer Krise oder Katastrophe mit vielen Verletzten rasch möglichst viele Leben retten,  statt wie sonst einzelne bestmöglich zu versorgen. Nutzer und Krisenpläne gibt es längst, auch üben Bund und Kantone regelmäßig den Ernstfall. Dabei zeigt sich aber, dass nicht zwingend klappt, was auf dem Papier gut klingt, als Chirurg an einem Zentrumsspital musste das auch Tensin Landtag erfahren, als sie die Notfallplanung durchspielten.

Da ging es darum, Schwerverletzte zu versorgen, und das Konzept war, kommt ein Schwerverletzer hinein, geben wir einen Arzt mit und eine Pflegeperson. Und irgendwann nach so 5 Patienten hatten wir keine Ärzte mehr. Und nach so 10 hatten wir keine Pflegefachpersonen mehr. Das heißt, wir haben gemerkt, die Planung war nicht realistisch und nicht durchsetzbar.

So wie der Arzt und Krisenmanager Lamdag anschließend im Spital über die Bücher ging, so tut er es nun. Beim koordinierten Sanitätsdienst spielte in dessen Konzepten bisher die Armee eine große Rolle mit ihren Ärzten und Pflegenden, rückt diese mit der Neuausrichtung in den Hintergrund zugunsten der zivilen Kräfte. Auch wenn Tensin im Landtag selbst Generalstabsoffizier ist, sieht er darin Vorteile, denn so „greifen wir auf die bestehenden Kräfte zurück, das heißt, alle Fachpersonen, die schon im Gesundheitswesen sind, egal ob sie militärdienstpflichtig sind oder nicht, oder ob sie Schweizer sind oder nicht. Und dementsprechend haben wir einen größeren Pool, um dann damit etwas zu bewegen.“

Ein Pool, der allerdings selbst unter Druck ist. Stichwort Fachkräftemangel. Ärmel mit bis zu 60 Organisationen hat sich Tensin Lamdag bereits ausgetauscht. Kantone, Spitäler, Rettungsdienste und so weiter. Sein Team besteht aus 5 Personen. Sie wollen für den Ernstfall Klarheit schaffen, alle müssen wissen, wer was wann wie zu tun hat.

„Ich habe so eine Rolle von jemandem, der koordinierte Ideen vorgibt und dann miteinander etwas entwickelt, was dann auch umgesetzt werden kann und damit hoffen wir auch, die relevanten Partner mitzunehmen, weil sie bei der Entwicklung von dem Ganzen dabei waren.“

Die ganze Reorganisation hatten verschiedene Analysen nach der Pandemie nahegelegt, auch diejenige des Sicherheitsverbunds Schweiz, der sicherheitspolitischen Plattform von Bund und Kantonen. Ihr Delegierter Martin von Muralt sagt dazu: „Es ermöglicht jetzt auch einen 24/7 Schichtenbetrieb im Falle einer Krise. Das sind so die Vorteile von diesem Wechsel und die Herausforderung natürlich ist, dass man das spezifische Know-How auch aufbaut in dieser neuen modularen Organisation.

Martin von Muralt hofft, dass Bund und Kantone Tensing Landag bei seinen Plänen unterstützen. Landtag selbst sagt, er stoße auf offene Türen: „Das Bedürfnis ist sehr groß, etwas zu haben und etwas zu ändern, weil wir wissen, dass wir aufgrund. Der politischen und auch aufgrund der Situation, wie sich die Welt verändert, noch nicht da sind, wo wir sein sollten“

Die Neuorganisation des Koordinierten Sanitätsdienstes hin zur Koordination, Krisen und Katastrophenmedizin hat nun begonnen. Bis in ein, zwei Jahren sollten die Konzepte stehen. Messbar werde diese Arbeit dann wohl erst in 3 bis 5 Jahren, schätzt der 47-jährige Landtag. Eine wichtige Arbeit, bei der die Hoffnung mitschwingt, dass der Ernstfall nicht eintritt.