Strompreisentwicklung (DEU) / Steigende Preisvarianz
In diesem Beitrag werden die Tage/Stunden mit negativen Strompreisen an der europäischen Strombörse (epexspot, Day Ahead Preis) ab 2015 dargestellt. Diese stellen nicht nur eine große Herausforderung für den Markt dar, da in dieser Zeit nicht nur für die Stromabnahme bezahlt werden muss, sondern bedeuten auch eine zusätzliche Belastung für die Infrastruktur, da großräumige Stromtransporte stattfinden, für die die Infrastruktur nie ausgelegt wurde. Bei Gefahr für die Netzsicherheit wird von den Übertragungsnetzbetreibern ein Intraday-Stop – der Handel wird ausgesetzt – oder Redispatch-Maßnahmen durchgeführt, die wiederum erhebliche Kosten verursachen. Diese werden über die Netzentgelte auf alle Kunden umgelegt.
Ein weiterer Aspekt sind die Gestehungs- bzw. Grenzkosten der Erzeugung, die je nach Anlagentyp sehr unterschiedlich sein können. Dies führt z.B. auch dazu, dass Kraftwerke, die langfristig nicht wirtschaftlich betrieben werden können, aus dem Markt ausscheiden (Merit-Order-Effekt). Dies ist grundsätzlich gut und richtig und auch für den Klimaschutz erfreulich, führt aber gleichzeitig zu einem wenig beachteten negativen Nebeneffekt: Durch den Wegfall rotierender Massen („Momentanreserve“) wird die immanent notwendige und systemkritische Stabilisierung und Ausregelung zunehmend erschwert und gefährdet. Mittelfristig verzögert sich zudem der Bau von für die Energiewende unverzichtbaren Pumpspeicherkraftwerken und schnell einsetzbaren, flexiblen Kraftwerken (Energiespeicher) zum Ausgleich der volatilen Erzeugung aus EE-Anlagen, weil sie sich schlicht nicht rechnen. Ein Teufelskreis.
Next-Kraftwerke hat zu diesem Thema zwei gute Zusammenfassungen erstellt (Was sind negative Strompreise und wie entstehen sie? und Negative Strompreise: Fieberkurve oder Normalbetrieb?) Meine Anmerkungen dazu finden sich in den Kommentaren.
Schließlich ist der Strompreis, ob negativ oder sehr hoch, ein weiterer Indikator (ein „schwaches Signal„) für den Zustand des Systems.
Preisvolatilität und signifikante Preissprünge
Seit September 2020 ist eine zunehmende Preisvolatilität mit extremen Schwankungen innerhalb weniger Stunden oder Tage zu beobachten. Während im Jahr 2021 die Preisschwankungen noch auf die gestiegenen CO₂-Preise zurückzuführen waren, ist es ab Februar 2022 der Ukrainekrieg, der die Gaspreise deutlich ansteigen ließ, was sich über das Merit-Order-System direkt auf die Strompreise auswirkt. Seit 2023 spielt vor allem der massiv gestiegene PV-Ausbau eine wesentliche Rolle, der vor allem an Wochenenden und mittlerweile zum Teil auch unter der Woche zu massiven Überkapazitäten und damit zu negativen Preisen führt. Gleichzeitig steigen die Preise nach Sonnenuntergang oft massiv an. Daher bleibt der Jahresdurchschnittspreis auch deutlich über dem Vorkrisenniveau.
Stromgestehungskosten
Stromgestehungskosten für erneuerbare Energien und konventionelle Kraftwerke in Deutschland (Datenquelle: Fraunhofer ISE; März 2018; Wikipedia)
Zu beachten ist, dass die Preise hier in EuroCent/kWh angeführt sind und der Strom in Euro/MWh gehandelt wird. Also die Werte mal 1.000 genommen werden müssen. Das bedeutet, dass im besten Fall ein Strompreis von im Durchschnitt 40 Euro/MWh erwirtschaftet werden muss, um Kraftwerke kostendeckend betreiben zu können.
Strompreise: Jahresvergleich ab 2015
Datenquelle: www.epexspot.com/SMARD | Strompreis Download
Die Grafiken werden grundsätzlich am Monatsbeginn aktualisiert. In Ausnahmefällen auch zwischendurch.
Negative Preise
Die Detailauswertung/Veröffentlichung erfolgt immer zu Monatsbeginn. Übersichtsgrafiken werden je nach Ereignis auch innerhalb des Monats aktualisiert.
Strompreisvergleich AT – BE – CH – DE – FR – NL
Anzahl der Stunden mit Negativstrompreisen 2023 im Vergleich
Preise über 100 Euro pro MWh
Negativpreise | Preise über 100 Euro pro MWh 2024
Hintergründe Stromgestehungskosten / Grenzkosten
Stromgestehungskosten / Grenzkosten
2016 fallen die vielen Stunden mit Preisen zwischen 0-20 Euro auf. Hier ist anzumerken, dass auch um diesen Preis kein konventionelles Kraftwerk kostendeckend produzieren kann, da die Grenzkosten – die Kosten, die für die Produktion erforderlich sind – deutlich höher liegen. Einen Anhalt für die tatsächlichen Produktionskosten bietet der Bericht „Subventionen und Kosten für Energie“ des österreichischen Umweltbundesamtes. Wobei hier auch externalisierte Kosten berücksichtigt werden. Die Beurteilung, wie „nachhaltig“ die Stromproduktion daher derzeit überhaupt ist, bleibt dem Leser überlassen.
Stromgestehungskosten für ausgewählte Technologien. Das unterste grüne Segment entspricht den Stromgestehungskosten gemäß LCOE-Methodik, das mittlere grüne Segment stellt die direkte Förderung (z. B. Steuererleichterungen für den Brennstoff) dar und das oberste Segment gibt die externen Kosten an. Die in blau dargestellte „zusätzliche Förderung“ gibt die Höhe der Subventionen an, welche keine Auswirkungen auf die Stromgestehungskosten der Anlagen haben (z. B. Einspeisevergütung). Die Angabe der Unsicherheit der externen Kosten bei der Kernkraft gibt die Spannweite der Literaturangaben wieder, die aufgrund unterschiedlicher Annahmen stark variieren; die orange Markierung gibt den durch ECOFYS ermittelten Wert an (Durchschnitt EU28).
11/18: In den vergangenen 12 Monaten war der Spotmarktpreis an 150 Stunden unter 0 Euro/MWh und an 902 Stunden (= 9,515 % aller Stunden im Jahr) unter 20 Euro/MWh. Einen Preis über 60 Euro/MWh wiesen in den letzten 12 Monaten 1.393 Stunden (= 14,694 % aller Stunden im Jahr) auf. Quelle: www.power-solution.at
Niedrige Strompreise
Wie die (unvollständige) Auswertung der Strompreise unter 20 Euro zeigt, ist die Anzahl der Stunden 2016 massiv angestiegen. Während die Auswertung dieser Preiszone im Jahr 2015 eine Gesamtzahl von rund 400 Stunden ergab, waren es 2016 und 2017 mehr als 930 Stunden (aus organisatorischen Gründen werden nur Tage mit mehreren Stunden unter 20 Euro ausgewertet).
Die niedrigen Strompreise freuen natürlich (Groß)Kunden, führen aber gleichzeitig dazu, dass die betriebswirtschaftlichen Bedingungen für konventionelle Stromproduzenten immer schwieriger werden. Die damit verbundenen Nicht-Investitionen (Wartung und Erneuerung) werden in wenigen Jahren zu einem zunehmenden Problem durch „Aging Infrastructures“ führen. Wohin das führen kann, ist bereits in Großbritannien zu beobachten. Zusätzlich steigt der Bedarf an konventioneller Regelleistung, um die Netzstabilität aufrecht erhalten zu können. So verdreifacht etwa die Austrian Power Grid die Reservekapazitäten für den Sommer. Das System muss weiter bzw. verstärkt an der Belastungsgrenze betrieben werden, wie auch die Redispatch-Maßnahmen zeigen.
Hohe Strompreise
Dem gegenüber stehen Strompreise über 100 Euro, die erstmals 2017 wieder mehrfach aufgetreten sind.
Rekordnegativstrompreise
Am 08. Mai 2016 wurde nach dem 25. Dezember 2012 mit dem Rekordnegativstrompreis von -221,99 Euro pro MWh der bisher zweitniedrigste Wert mit -130,09 Euro erreicht (siehe auch unter Alle Jahre wieder …. Muttertag … und Rekordnegativstrompreise). Am 01. Mai 2017 gab es während 16 Stunden Negativstrompreise. Davon während 11 Stunden unter 30 Euro, was einen neuen Rekord in der Dauer und Höhe darstellt.
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2023
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2022
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2021
Zum vollständige Anzeigen der Tabellen bitte das jeweilige Bild anklicken.
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 3. Quartal | September 2021
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 3. Quartal | August 2021
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 3. Quartal | Juli 2021
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 2. Quartal 2021
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 1. Quartal 2021
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2020
Zum vollständige Anzeigen der Tabellen bitte das jeweilige Bild anklicken.
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 4. Quartal 2020
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 3. Quartal 2020
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 2. Quartal 2020 – Juni
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 2. Quartal 2020 – Mai
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 2. Quartal 2020 – April
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 1. Quartal 2020
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2019
Zum vollständige Anzeigen der Tabellen, bitte das jeweilige Bild anklicken. Es gibt eine kleine Abweichung zwischen der eigenen Auswertung (209 Stunden) mit der offiziellen (211 Stunden).
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 4. Quartal 2019
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 3. Quartal 2019
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 2. Quartal 2019
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im 1. Quartal 2019
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2018
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2017
Strompreise unter 20 bzw. über 100 Euro im Jahr 2016
Zum vollständige Anzeigen der Tabellen, bitte das jeweilige Bild anklicken.
Strompreise unter 20 Euro im 4. Quartal 2016
Strompreise unter 20 Euro im 3. Quartal 2016
Strompreise unter 20 Euro im 2. Quartal 2016
Strompreise unter 20 Euro im 1. Quartal 2016
Während es im Jänner 2015 25 Stunden mit Negativstrompreisen gab, waren es 2016 nur 5.